WISSING-Interview: Das Ziel muss sein, dass wir wieder eine der pünktlichsten Eisenbahnen Europas bekommen.
Frage: Herr Wissing, gerade ist ein umfangreiches Sanierungsprogramm bei der Bahn gestartet. Millionen Fahrgäste fragen sich: Wann wird die Bahn wieder pünktlicher?
Wissing: Die Bahn wird kontinuierlich pünktlicher, wenn die ersten Korridore saniert sind. Damit haben wir jetzt nach umfangreichen Vorbereitungen an der Riedbahn begonnen. Wir sanieren die Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim in einer Rekordzeit von nur fünf Monaten bis Mitte Dezember. Es handelt sich um einen der wichtigsten Schienenwege, auf dem 300 Züge am Tag fahren. Jeder siebte Zug passiert diesen Korridor. Wir hatten auf der Strecke täglich mindestens eine Störung, die sich auf den Betrieb in ganz Deutschland ausgewirkt hat. Bereits jetzt sehen wir, dass die Züge, die auf die im Vorfeld ertüchtigten Nebenstrecken umgeleitet sind, deutlich pünktlicher sind.
Frage: Es folgen weitere 40 Strecken. Welche Pünktlichkeit erwarten Sie im Fernverkehr in 2030?
Wissing: Das Ziel muss sein, dass wir wieder eine der pünktlichsten Eisenbahnen Europas bekommen. Das ist die Erwartung, der wir – allen voran die Bahn – gerecht werden müssen. Der Eisenbahnverkehr bei uns ist aber nicht immer vergleichbar mit dem anderer Länder, weil bei uns über ein und dasselbe Schienennetz sowohl Fernzüge, als auch Regional- und Güterzüge fahren. Aber klar ist: Die Verspätung muss die Ausnahme sein und die Pünktlichkeit die Regel.
Frage: Friedrich Merz hat sich dafür ausgesprochen, das Bahn-Angebot auszudünnen, um hochbelastete Strecken zu entlasten. Was halten Sie davon?
Wissing: Ich muss ganz ehrlich sagen: Anspruchsloser geht es kaum. Das würde bedeuten, dass man das Schienennetz nicht verbessern will, sondern das Angebot der schlechten Infrastruktur anpasst. Meine Haltung ist eine andere: Ich will, dass wir unser Netz wieder schnellstmöglich in einen Zustand versetzen, der es ermöglicht, eine hohe Leistung und hohe Taktung zu fahren.
Frage: Kanzler Scholz bezeichnete das Neun-Euro-Ticket als eine der besten Ideen der Regierung. Das Deutschlandticket ist der Nachfolger. Welchen Preis fänden Sie angemessen?
Wissing: Ich verstehe nicht, warum man eine permanente Debatte über den Preis des Deutschlandtickets führen muss. Das Deutschlandticket ist viel mehr als nur sein Preis. Es ist modern, digital, einfach in der Nutzung und hat ein wesentlich größeres Angebot als die bisherigen Monatsfahrkarten. All diese entscheidenden Punkte werden durch einen deutlich günstigeren Preis als der bisheriger Monatsfahrkarten ergänzt. Der Bund finanziert das Ticket zur Hälfte mit, die Länder geben die andere Hälfte. Im vergangenen Jahr wurde das dafür zur Verfügung gestellte Geld nicht benötigt und wird auf dieses Jahr übertragen. Es ist also Geld übrig geblieben, das für die Finanzierung genutzt werden kann.
Frage: Die Länder argumentieren, dass das Angebot teils ausgedünnt werden muss in Folge fehlenden Geldes. Insofern stellt sich die Frage: Ist ein niedriger Preis es wert, wenn weniger Busse und Bahnen fahren?
Wissing: Ich kann diese Argumentation der Länder nicht nachvollziehen. Der Bund hat seine finanzielle Zuwendung an die Länder insgesamt deutlich erhöht. Wir haben allein für das Deutschlandticket 1,5 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt und zusätzlich noch die allgemeinen Regionalisierungsmittel deutlich erhöht. Es ist aktuell also viel mehr Geld für Bus und Bahn im System.
Frage: Die Fahrgäste können sich also bei den Ländern bedanken, wenn der Ticketpreis erhöht wird?
Wissing: Die Verkehrsminister der Länder haben von ihren Ministerpräsidenten den Auftrag bekommen, sich mit der Preisgestaltung des Tickets auseinanderzusetzen und für auskömmliche Ticketeinnahmen zu sorgen. Jetzt sollten sie das Ticket stärker bewerben, damit noch mehr Menschen es kaufen. Dann steigen die Einnahmen. Gerade im Bereich der Jobtickets gibt es noch großes Potenzial.
Frage: In dieser Woche drangen mehrfach Mitglieder der „Letzten Generation“ auf das Gelände von Flughäfen ein und sorgten für Störung im Flugbetrieb. Müssen die Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen verstärkt werden?
Wissing: Diese Straftaten sind nicht akzeptabel und müssen mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden. Wir haben deshalb eine Verschärfung des Luftsicherheitsgesetzes auf den Weg gebracht. Diese muss nun zügig vom Bundestag beschlossen werden, damit die Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Haft ihre abschreckende Wirkung zeigt. Ich setze darauf, dass auch die zuständigen Flughäfen und Landesbehörden auf die neue Bedrohungslage reagieren und ihre Bemühungen zur Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen fortsetzen.
Frage: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 15 Millionen E-Autos auf die Straße zu bringen. Davon ist man weit entfernt, aktuell fehlen vor allem preiswerte Modelle. Wie sollte man die Verbreitung von E-Autos fördern?
Wissing: Die Knappheit von Batterien und Rohstoffen war zuletzt ein Problem, aber da hat sich viel getan. Nun braucht es Wettbewerb und Marktwirtschaft, um attraktive Preise durchzusetzen. Deswegen sollte man nicht den Markt durch Zölle und andere Handelsbarrieren abschotten.
Frage: Ein wichtiger Punkt für die E-Mobilität ist auch der Ausbau des Ladenetzes. Ihr Ministerium schreibt viele Ladepunkte aus, dabei werden 75 Prozent der Ladevorgänge zu Hause oder auf der Arbeit vorgenommen. Wäre das Geld nicht woanders besser investiert?
Wissing: Den Ausbau der Ladeinfrastruktur brauchen wir dringend und er erfolgt auch bedarfsgerecht. Wir bauen nicht einfach darauf los, sondern werten intensiv Mobilitätsdaten aus. Wie bewegen sich Leute mit dem Auto? Welche Strecken fahren sie von wo nach wo? Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur koordiniert das und hat auch die Ausschreibungen begleitet. Das Netz selbst wird dann privat betrieben. Es ist wichtig, entlang der Fernstraßen ein dichtes Ladenetz zu haben, damit es nicht zu langen Wartezeiten an den einzelnen Säulen kommt.
Frage: Es gibt noch viele Mythen beim Thema E-Auto. Reichweitenangst, angeblich höhere Kosten und so weiter. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe, dies zu berichtigen?
Wissing: Ich bin davon überzeugt, dass die Akzeptanz steigen wird, sobald die Menschen persönliche Erfahrungen damit machen. Wenn sie sehen, mein Nachbar kommt super mit seinem E-Auto zurecht, ist das vielleicht auch etwas für mich. Und Reichweitenangst muss heutzutage keiner mehr haben. Wir sorgen dafür, dass der nächste Schnellladepunkt künftig in wenigen Minuten erreichbar sein wird und zwar überall in Deutschland.
Frage: Welche Hürden sehen Sie noch bei der sogenannten Verkehrswende?
Wissing: Ich sehe noch viel Potenzial in anderen Antriebstechnologien und in der Kombination verschiedener Mobilitätsangebote. Nehmen Sie zum Beispiel das Deutschlandticket im ländlichen Raum. Manche sagen: Das Ticket nutze ich erst, wenn bei mir im Dorf alle zehn Minuten ein Bus fährt. Aber man kann auch mit dem Auto zum nächsten Bahnhof fahren und dann in die Regionalbahn steigen. Heute ist es oft so: Wer ins Auto steigt, fährt die ganze Strecke durch, bis zum Ziel in der Innenstadt. Mobilität wird in Zukunft dagegen stärker kombiniert, oder wie wir sagen, „multimodal“ sein.
Frage: Ihr Ministerium geriet in die Kritik, weil ein Staatssekretär die Schirmherrschaft für ein E-Fuel namens „HVO100“ übernahm. Haben Sie sich dabei etwas vorzuwerfen?
Wissing: Nein. Die Vorwürfe richten sich gegen einen privaten Verein und nicht gegen das BMDV, das Ministerium. Dass der betreffende Verein laut einem Medienbericht hohe Mitgliedsbeiträge verlangt haben soll und suggerierte, man bekomme dafür ein Treffen mit mir oder meinem Staatssekretär, davon haben wir nichts gewusst. Deswegen haben wir auch sofort die Schirmherrschaft ruhen lassen und dem Verein untersagt, mit dem Logo des BMDV zu werben. Bei der Schirmherrschaft ging es uns um einen neuen Kraftstoff, der aus Fett und Altöl hergestellt wird. Den hat übrigens das Umweltministerium zugelassen. Das ist auch richtig so, denn dieser Kraftstoff ermöglicht die CO2-Reduktion von Verbrennungsmotoren. Deswegen haben wir das Projekt selbstverständlich unterstützt.
Frage: Sie wurden als Architekt der Ampel-Koalition bezeichnet. Doch das Regieren läuft alles andere als harmonisch. Ist das Bündnis noch ein Modell für die Zukunft?
Wissing: Die Bürgerinnen und Bürger haben uns einen Auftrag für vier Jahre geben und diesen Auftrag versuchen wir, möglichst gut zu erfüllen. Für meinen Zuständigkeitsbereich heißt das: Ich habe das Deutschlandticket auf den Weg gebracht, die Bahnsanierung in Angriff genommen, ein Sanierungsprogramm für Autobahnbrücken aufgelegt, wir haben 97 % Mobilfunkversorgung im Land und die Digitalisierung kommt sehr gut voran. Ich finde, das zeigt, dass man in dieser Koalition erfolgreich arbeiten kann.
Frage: Die Ampel wird allerdings kaum für solche Dinge wahrgenommen, sondern vor allem durch den Streit.
Wissing: Ich habe immer versucht, die Erfolge für sich sprechen zu lassen und nie schlecht über Koalitionspartner gesprochen. Andere haben ihren eigenen Weg gewählt.